Die Bieber-Ella und die Kartoffelwaschmaschine

Erzgebirgsbauern rackerten von früh bis spät. Was aber Ella und Paul Bieber machten, das hatte nichts mehr mit Arbeit zu tun, das war eine elende Schinderei. Aber vom Ergebnis ihrer Arbeit leisteten sie sich nichts – gar nichts. Eine 25 Watt-Birne und ein uraltes Radio war die einzige Technik im Haus. Böse Zungen behaupteten daher, die Biebers seien nicht nur „zamm-namsch“, sondern äußerst „drack-frasssch“. Davon erzählt auch das folgende Beispiel: Wie viele andere Kleintierhalter schaffte Ella regelmäßig die von ihren Hühnern produzierten Eier zum Hübler-Konsum, wo sie entsprechend vergütet wurden. Einmal lieferte sie eine nicht unerhebliche Menge schön in Pappe verpackt per Handwagen an, allerdings kam es zu unerwarteten Schwierigkeiten, d.h. unmittelbar vor der Aufkaufstelle geriet das Gefährt auf einem kleinen Berg ins Rutschen und der Handwagen kippte um. Dutzende zerbrochene Eier lagen auf der dreckigen Dorfstraße! Ella eilte so schnell sie konnte nach Hause und kam mit einem Löffel und einem Gefäß zurück. Sie kniete auf der Straße und löffelte sorgfältig den Eierbrei in die mitgebrachte Kanne. Was sie allerdings später damit anstellte, entzieht sich unserer Kenntnis.

An Ellas Hausgrundstück floss der Bach vorbei. Obwohl sie im Wasserhaus eigenes Wasser hatten, das weglief, stellte Ella vor der Kartoffelwäsche die Kartoffelwaschmaschine an den Bach. So konnte man das eigene Wasser sparen.

Einmal kam Ella mit zwei Steinskörben voll Kartoffeln, schüttete sie in die Maschine und füllte die Halbwanne mit Wasser. Jetzt sollte erst einmal der Dreck aufweichen, damit sie dann schön sauber wurden. Weil sie noch andere Arbeit hatte, ging sie inzwischen wieder ins Haus. Oben beim Findeis` Bauer wohnten Mischaus, und bei denen waren gerade die zwei Kroll-Buben, Herbert und Walter, zu Besuch. Eigentlich wohnten sie im alten Rathaus, wo heute die Zahnarztpraxis ist. Diese Jungs hatten Ella beobachtet und schritten sofort zur Tat. Einen Sack hatte man damals immer bei sich und, – so schnell konnte man gar nicht gucken, schon gings die Treppen hinunter, hinten durch das Wasserhaus hinaus. Wie ein eingespieltes Team gingen sie ans Werk. Der eine hielt den Sack an den Ausgang der Maschine, der andere drehte die Kurbel rückwärts, bis auch die letzte Kartoffel in den Sack kollerte. Dann schnappten sie sich gemeinsam ihre Beute und rannten haste-was-kannste das Dorf hinunter. Es war wirklich eine Sache von Sekunden und wir, die wir zugesehen hatten, konnten es kaum glauben.

Ella hatte überhaupt nichts mitbekommen. Sie kam heraus und wollte ihre Kartoffeln (wir sagten damals Ardäppeln) zu Ende waschen. Doch sie konnte gucken und mit dem Kopf schütteln, wie sie wollte, es waren keine Ardäppeln mehr da. Das war ja ein Ding! Entweder war ein „Wunner“ geschehen, oder sie hatte vielleicht gar keine Kartoffeln eingefüllt? Ganz verdattert schnappte sie sich ihre Körbe und machte die Maschine nochmal voll. „Na so was, na so was“, murmelte sie dabei vor sich hin.

Inzwischen wird bei Krolls schon ein Topf lustig gebrodelt haben. Für sie war es egal, ob Kartoffeln oder Ardäppeln, denn Hunger tat damals weh. Und der geizigen Ella machten die paar Kullern sicher nichts aus!

Günter Hentschel †

Fotos: Sammlung Ender